Die Umsetzung

Bei umfangreichen Suchen in der spanischen und portugiesischen Orgelliteratur des 17.und 18. Jahrhunderts stieß ich auf eine Vielzahl von geeigneten Stücken. Nicht nur die Batallas mit ihren oft schmetternden Fanfarenmotiven waren ein ergiebiges Feld. Sehr interessant zeigten sich auch einige Obras und Tientos, die wunderbare gesangliche Linien bereithalten. Nun ist es aber nicht damit getan, einfach mal eben zwei oder drei Takte einer Melodie mit einer Trompete zu spielen. Bei meinen Bearbeitungen legte ich großen Wert auf einen sinnvollen und stimmigen Dialog zwischen den Passagen, welche die Trompete übernehmen kann, und denen, die der Orgel vorbehalten sind. Die originalen Manuskripte liegen meist in Einzelstimmen vor, sind also vokal in horizontalen Linien gedacht. Das nahm ich als Legitimation, um auch Motive aus der Alt-, Tenor- oder, in einzelnen Fällen, auch der Bassstimme zu entlehnen. Dem Feinschliff der Themenübergänge zwischen Trompete und Orgelwidmete ich sehr viel Aufmerksamkeit. Mein wichtigstes Anliegen war es, den Gestus der barockenTrompetenmusik zu wahren. Die Arrangements sollten klingen, als wären sie nie für ein anderes Instrument als die Trompete geschrieben worden. Sie sollten organisch spielbar sein und den Spielerbei einer Aufführung nicht vor unlösbare Probleme stellen. So habe ich zum Beispiel immer auf genug Pausen zum Regenerieren der Lippen geachtet und auch den Ambitus der Motive beim hohen c begrenzt. Hier habe ich meine ganze Erfahrung aus über 30 Jahren intensiver Beschäftigung mit der barocken Trompetenliteratur eingebracht.


Für die Realisierung einer Aufnahme stellte sich bald die Frage nach einer geeigneten Orgel. Da ich mich der historischen Aufführungspraxis verschrieben habe, war klar, dass auch eine der Musik und der Epoche entsprechende Orgel zum Einsatz kommen musste. Nun sind spanische Orgeln in Mitteleuropa nicht gerade häufig, aber es gibt eine kleine Zahl in Frage kommender Instrumente. Dazu braucht es noch einen Organisten, der sich in dieser speziellen Materie auskennt. Dank meiner Verbindungen zur Schola Cantorum Basiliensis konnte ich Joan Boronat Sanz sehr schnell für das Projekt begeistern. Er kennt sich in der barocken Tastenmusik hervorragend aus, und als gebürtiger Katalane trägt er die Gene dieser iberischen Musik quasi in sich und bringt sie temperamentvoll zum Klingen.

Zu unserem Glück gibt es unweit von Basel, nahe Belfort, in der kleinen Gemeinde Grandvillars ein Replikat einer barocken spanischen Orgel. In die kleine Hauptkirche wurde vor einigen Jahren ein wunderschönes Instrument von Christine Vetter und Joaquin Lois Cabello eingebaut. Sie betreuen auch originale Instrumente in Spanien und gelten als ausgesprochene Spezialisten. Schon die ersten Töne zauberten Joan und mir ein Lächeln ins Gesicht. Die Klänge, die dieses Instrument hervorbringtund die ausgewogene Akustik des Kirchenraumes dazu, waren einfach umwerfend! Ebenso begeistert waren wir über die Zusage des Vereins ACORG, welcher die Orgel betreut, die Stücke in Grandvillars aufnehmen zu dürfen. Ein ganz besonderer Dank gilt Herrn Jean-François Christ, dem Vorsitzendendes Vereins ACORG, für seine Unterstützung und Gastfreundschaft. Bauliche Besonderheiten der Orgel sind das geteilte Manual zwischen c und cis und die kurze Oktave. Das geteilte Manual erlaubt eine unterschiedliche Registrierung innerhalb eines Manuals und ist typisch für diese Epoche auf der iberischen Halbinsel. Viele Kompositionen berücksichtigen diese Besonderheit. Damit sind klangliche Differenzierungen möglich, die man geradebei kleinen Instrumenten sonst nicht realisieren könnte. Das spezielle Clarinregister mit den horizontal angeordneten Pfeifen wurde erst vergleichsweise spät, ab der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts in den Instrumenten auf der iberischen Halbinsel verbaut. Diesen Umstand haben wir bei der Registration der Stücke berücksichtigt und das Register bei den früh datierten Werken nicht eingesetzt