Proyecto Clarin

Bestellung

Die CD wird vom Label Prospero über den Fachhandel vertrieben. Sie wird ab März 2024 erhältlich sein. Wer nicht so lange warten möchte, kann die CD über das Kontaktformular für CHF 18.50 pro Stück plus Versandkosten direkt bei mir bestellen.

Die Herausgabe der Noten zur CD ist in Bearbeitung. In Kürze werde ich hier informieren, in welchem Verlag sie erhältlich sein werden. Vorbestellungen nehme ich bereits jetzt gerne entgegegen.

Hörproben

Hörprobe: Batalla de 6° tonno, José Jimenez (Trompete und Orgel)
Hörprobe: Tres Glosas, Fransisco Correa de Arauxo (Sopran, Trompete und Orgel)
Hörprobe: Batalla de 6° tono, Pablo Bruna (Trompete und Orgel)
Hörprobe: Batalha de 5° tom, Francisco Diego de Conceiçao (2 Trompeten, Pauke und Orgel)
Hörprobe: Batalla Famosa, anonym 18. Jhd (3 Trompeten, Pauke und Orgel)

Die Idee

Vor einigen Jahren fiel mir im Notenschrank eines befreundeten Kollegen ein Buch auf: Der Einband zeigt die Detailaufnahme eines Orgelprospekts mit halbkreisförmig, horizontal angeordneten Pfeifen, in deren Zentrum ein Gesicht gemalt ist. Der Titel: L’orgue baroque espagnol– eine Sammlung barocker Orgelstücke, die Francis Chapelet in den 1980-er Jahren herausgab. In schöner Handschrift verfasst, sorgfältig spartiert, mit Hinweisen zur Verzierungs- und Improvisationstechnikversehen und mit kleinen Zeichnungen geschmückt, machte dieses Buch einfach Lust, darin zublättern. Dabei entdeckte ich Passagen, die mir sofort ins Auge fielen: Das waren doch eindeutig Motive, wie ich sie aus der Trompetenliteratur dieser Zeit kannte! Stücke wie die Piezas de Clarinesoder der Marcha por Clarines gaben einen eindeutigen Bezug, und vereinzelt war auch der Hinweis „Clarin“ zu lesen. Natürlich bezog sich dieser auf das spezielle Orgelregister, die Clarines, also die spanischen Trompeten. Ein Zungenregister, welches horizontal aus dem Orgelprospekt in den Raum ragt und die Naturtrompete in Form und Klang imitiert. Auffallend war, dass die betreffenden Passagenden Ambitus und den Tonvorrat einer echten Naturtrompete verwendeten:

Zur Erklärung: Die Naturtrompete hat im unteren, dem Prinzipalregister, nur den Dreiklang der Grundtonart und im oberen Clarinregister nur Ganztonschritte mit wenigen, nur bedingt brauchbaren Halbtonschritten zur Verfügung: Das legt für mich den Schluss nahe, dass die Komponisten jener Stücke an diesen Stellen wirklich eine Naturtrompete gehört haben und diese mit der Orgel imitierten. Was liegt dann wiederum für einen Trompeter näher, als genau diese Passagen auf der Naturtrompete zuspielen? Die Idee von PROYECTO CLARIN war geboren! Diese beinhaltet neben der vorliegenden Tonaufnahme auch die Aufbereitung und Herausgabe des Notenmaterials.

Die Umsetzung

Bei umfangreichen Suchen in der spanischen und portugiesischen Orgelliteratur des 17.und 18. Jahrhunderts stieß ich auf eine Vielzahl von geeigneten Stücken. Nicht nur die Batallas mit ihren oft schmetternden Fanfarenmotiven waren ein ergiebiges Feld. Sehr interessant zeigten sich auch einige Obras und Tientos, die wunderbare gesangliche Linien bereithalten. Nun ist es aber nicht damit getan, einfach mal eben zwei oder drei Takte einer Melodie mit einer Trompete zu spielen. Bei meinen Bearbeitungen legte ich großen Wert auf einen sinnvollen und stimmigen Dialog zwischen den Passagen, welche die Trompete übernehmen kann, und denen, die der Orgel vorbehalten sind. Die originalen Manuskripte liegen meist in Einzelstimmen vor, sind also vokal in horizontalen Linien gedacht. Das nahm ich als Legitimation, um auch Motive aus der Alt-, Tenor- oder, in einzelnen Fällen, auch der Bassstimme zu entlehnen. Dem Feinschliff der Themenübergänge zwischen Trompete und Orgelwidmete ich sehr viel Aufmerksamkeit. Mein wichtigstes Anliegen war es, den Gestus der barockenTrompetenmusik zu wahren. Die Arrangements sollten klingen, als wären sie nie für ein anderes Instrument als die Trompete geschrieben worden. Sie sollten organisch spielbar sein und den Spielerbei einer Aufführung nicht vor unlösbare Probleme stellen. So habe ich zum Beispiel immer auf genug Pausen zum Regenerieren der Lippen geachtet und auch den Ambitus der Motive beim hohen c begrenzt. Hier habe ich meine ganze Erfahrung aus über 30 Jahren intensiver Beschäftigung mit der barocken Trompetenliteratur eingebracht.


Für die Realisierung einer Aufnahme stellte sich bald die Frage nach einer geeigneten Orgel. Da ich mich der historischen Aufführungspraxis verschrieben habe, war klar, dass auch eine der Musik und der Epoche entsprechende Orgel zum Einsatz kommen musste. Nun sind spanische Orgeln in Mitteleuropa nicht gerade häufig, aber es gibt eine kleine Zahl in Frage kommender Instrumente. Dazu braucht es noch einen Organisten, der sich in dieser speziellen Materie auskennt. Dank meiner Verbindungen zur Schola Cantorum Basiliensis konnte ich Joan Boronat Sanz sehr schnell für das Projekt begeistern. Er kennt sich in der barocken Tastenmusik hervorragend aus, und als gebürtiger Katalane trägt er die Gene dieser iberischen Musik quasi in sich und bringt sie temperamentvoll zum Klingen.

Zu unserem Glück gibt es unweit von Basel, nahe Belfort, in der kleinen Gemeinde Grandvillars ein Replikat einer barocken spanischen Orgel. In die kleine Hauptkirche wurde vor einigen Jahren ein wunderschönes Instrument von Christine Vetter und Joaquin Lois Cabello eingebaut. Sie betreuen auch originale Instrumente in Spanien und gelten als ausgesprochene Spezialisten. Schon die ersten Töne zauberten Joan und mir ein Lächeln ins Gesicht. Die Klänge, die dieses Instrument hervorbringtund die ausgewogene Akustik des Kirchenraumes dazu, waren einfach umwerfend! Ebenso begeistert waren wir über die Zusage des Vereins ACORG, welcher die Orgel betreut, die Stücke in Grandvillars aufnehmen zu dürfen. Ein ganz besonderer Dank gilt Herrn Jean-François Christ, dem Vorsitzendendes Vereins ACORG, für seine Unterstützung und Gastfreundschaft. Bauliche Besonderheiten der Orgel sind das geteilte Manual zwischen c und cis und die kurze Oktave. Das geteilte Manual erlaubt eine unterschiedliche Registrierung innerhalb eines Manuals und ist typisch für diese Epoche auf der iberischen Halbinsel. Viele Kompositionen berücksichtigen diese Besonderheit. Damit sind klangliche Differenzierungen möglich, die man geradebei kleinen Instrumenten sonst nicht realisieren könnte. Das spezielle Clarinregister mit den horizontal angeordneten Pfeifen wurde erst vergleichsweise spät, ab der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts in den Instrumenten auf der iberischen Halbinsel verbaut. Diesen Umstand haben wir bei der Registration der Stücke berücksichtigt und das Register bei den früh datierten Werken nicht eingesetzt

Die Musik

Wie bereits erwähnt, waren die Batallasdie ersten Stücke, die mir auffielen. Darunter gab es wiederum einige, die sehr akkordische Strukturen oder auch reine zweistimmige Passagen enthielten. Deshalb entschloss ich mich, für diese Stücke eine zweite Trompete einzubeziehen oder, wenn dies möglich und sinnvoll erschien, einen kompletten dreistimmigen Trompetensatz mit Pauken zu realisieren. Gerade letzteres ergibt zusammen mit den vollen Orgelklängen ein regelrechtes Klanggetöse. Der Gegensatz zu den intimen, gesanglichen Stücken könnte kaum größer sein und bildet genau jenes Spektrum ab, das die Naturtrompete im 17. und 18. Jahrhundert innehatte.


Eine Besonderheit ist die Batalla imperial von Juan Cabanilles. Als ich dieses Stück in der Cabanilles-Gesamtausgabe fand, war ich zunächst etwas unschlüssig. Irgendwie passte es nicht zu den anderen Stücken. Es war sehr einfach strukturiert und hatte von der ganzen Anlage her recht wenig mit all den anderen mir bekannten Kompositionen gemein. Ich startete trotzdem den Versuch einer Bearbeitung, legte das Stück aber bald beiseite. Bei unserem ersten Besuch in Grandvillars, bei dem Joanund ich alle in Frage kommenden Stücke anspielten und unterschiedliche Registrierungen ausprobierten, erzählte er mir von einem Stück, das es in mehreren Quellen gab – zwei davon in Spanien –und dass es sich dabei um ein Stück von Johann Caspar Kerll handelt, das irrtümlich auch Cabanilles zugeschrieben wurde, weil es sich in dessen Sammlung befand. Was für eine Überraschung: Es war genau das Stück, welches mir so anders vorkam! Demnach gab es also einen musikalischen Austausch zwischen Wien bzw. München und der iberischen Halbinsel. Plötzlich war dieses Stück ungemein interessant: Als Bindeglied zwischen der für uns Trompeter vielfältig dokumentierten süddeutschen/österreichischen Tradition und eben der unbekannten iberischen. Eine sich wiederholende Floskel in Cabanilles/Kerlls Batalla erschloss sich mir folglich auch mit genau diesem Hintergrund: In der ersten uns bekannten Trompetenschule Tutta larte della trombetta von Cesare Bendinelli, erschienen 1614 in München, spricht dieser von einer speziellen Manier im Prinzipalregister, dem „druan“. Dabei wird das tiefe g (der 3. Naturton) quasi als Vorschlag an die höhere Hauptnote, das c, angeschliffen. Diese besondere Artikulation wird heute nirgends angewendet, ergibt aber in genau diesem Zusammenhang absolut Sinn und verleiht dem Stück einen ganz eigenen Charakter. Diesen Prinzipalpart habe ich dann auch unisono für alle drei Trompeten gesetzt, was sich wiederum an Bendinelli anlehnt, der von „Rotta“ spricht, wenn er solche Signalmotive explizit dem ganzen Trompetenchor zuweist.


Ein weiterer musikalischer Zusammenhang erschloss sich mir in der Batalla famosa. In einem der 3/2-Abschnitte erklingt für ein paar Takte ein Motiv, das wir Trompeter aus zwei anderen Stücken kennen. Es ist das Motiv „Kindel wiegen auf Weihnacht“. Johann Heinrich Schmelzer verwendete es in seiner Sonata natalis,und auch bei Pavel Joseph Vejvanovsky erklingt es in einer Sonata. Es ist wohl legitim anzunehmen, dass es auch hier einen musikalischen Austausch gegeben hat. In diesem Zusammenhang erinnern mich einige Melodiebögen, die ich in meinen Bearbeitungen realisieren konnte, an Kompositionen, die heute in der für uns Trompeter so interessanten Sammlung im Schloss Kroměříž (Kremsier) inTschechien erhalten sind. Speziell die Passagen, in denen das mittlere b, also die zu tiefe Septime der Naturtonreihe, vorkommt (wie z.B. in der Batalla von Pablo Bruna), erwecken in mir immer wieder ein wenig die Assoziation an H.I.F. Biber, J.H.Schmelzer oder P.V.Vejvanovsky.


Die Pavana con su glosa von Antonio de Cabezón ist, wenn man so will, ein Widerspruch in sich, denn Cabezón schreibt sie im 3/2-Takt. Eine Pavana steht aber bekanntlich in einem geraden Takt. Das Hauptmotiv inspirierte mich, es in verschiedene rhythmisierte Variationen zu setzen, und so haben wir uns dazu entschieden, die Pavana auch in einem geraden Takt beginnen zu lassen. Der originale 3/2-Takt von Cabezón folgt erst später. Die Verwendung der Trommel gibt dem Beginn zusätzlich noch eine sachliche Strenge. Als letzte Variation habe ich einen beschwingten 6/8-Takt realisiert und ihn rhythmisch mit dem Tamburin unterstützt. Dieser Abschnitt könnte auch gut ein Saltarello von Girolamo Fantini sein.


Die Tres glosas sobre el canto de la Inmaculada Concepción sind in der Komposition von Francisco Correa de Arauxo quasi instrumentale Variationen. Ich habe mir erlaubt, diese nach C zu transponieren, um sie für die Naturtrompete spielbar zu machen. Dem daraus entstandenen virtuosen Dialog zwischen Trompete und Orgel haben wir mit dem schlichten, originalen Canto ergänzt.


Ähnlich angelegt ist die Bearbeitung des Pange lingua von Pablo Bruna. Der cantus firmus wäre zwar prinzipiell auf einer Naturtrompete spielbar, würde den Bläser aber vor erhebliche konditionelle Herausforderungen stellen, denn es gibt keine Pause, und die Partie geht bis ins hohe Clarinregister. Auch wenn das Stück spielbar ist, sprengt es doch den Rahmen und kommt in einer solchen Form in der originalen barocken Trompetenliteratur höchst selten vor. Aus diesem Grund habe ich mich dazu entschlossen, den Trompetenpart aus der Altstimme der Variation von Pablo Bruna zu entwickeln. Ich habe ihn im Stile der Zeit mit Diminutionen und Umspielungen versehen, und es entstand eine Art Improvisation. Ergänzt haben wir die Variationen wiederum mit dem originalen Canto. Im Zusammenspiel entsteht so eine sehr abwechslungsreiche, mehrstrophige und überaus farbige Komposition.


Das Kyrie von Francesco Valls steht stellvertretend für den generellen Kontext dieser Musik. Alle hier eingespielten Kompositionen sind für den sakralen Gebrauch in einer Kirche bestimmt. Valls hat seine Messvertonung wohl erst deutlich nach 1700 geschrieben. Sein musikalischer Stil ist aber früherorientiert und passt hervorragend zu den anderen Werken unserer Auswahl. Einem 4-stimmigen Vokalchor, den wir in unserer Einspielung mit der Orgel realisiert haben, sind zwei separate, korrespondierende Stimmen hinzugefügt, wovon sich Canto IImit seinem Ambitus geradezu für die Trompete anbietet. Dem Kyrie vorangestellt habe ich eine kleine Improvisation über einen Fabordon llano. Solche Fabordons finden sich in überaus großer Zahl bei sehr vielen Komponisten. Sie waren in der Regel als Intonationen für die darauffolgenden Kirchengesänge gedacht. Insofern haben wir auch hier versucht, der musikhistorischen Tradition gerecht zu werden.


Eine kurze Anmerkung möchte ich noch zu den Stückbezeichnungen wie „ ... de sexto tono“ oder „... de quarto tono“ geben. Diese beziehen sich auf die Hauptnoten bzw. Stufen einer Tonleiter. In der Musiktheorie sprechen wir heute noch von den Kirchen- oder Modaltonarten. In der Praxis haben wir aber den Bezug zu diesen weitgehend verloren. Es ist uns heute kaum noch möglich, entsprechende Melodien diesem System zuzuordnen. Erschwerend kommt hinzu, dass diese modalen Tonarten früher oft auch transponiert verwendet wurden. Was uns aber bis heute geblieben ist, sind die besonderen Strukturen mit oft überraschenden Halbtonschritten und tonalen Wendungen, die an Reiz und klanglicher Schönheit nichts verloren haben.